Abwärme nutzen und auf
klimaschädliches Anästhesiegas verzichten: Das USB senkt seine Emissionen

Prof. Luzius Steiner
Ärztlicher Departementsleiter 
Chefarzt, Leiter Anästhesiologie 

Eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre für das Universitätsspital Basel ist es, den Treibhausgasausstoss zu senken und so zum Klimaschutz beizutragen. Wie in unserer Klimabilanz ersichtlich, ist der grösste Anteil unserer direkt erzeugten Treibhausgasemissionen auf die Nutzung von Anästhesiegasen und anderweitig diagnostisch und therapeutisch eingesetzte Gasen zurückzuführen. Hier haben wir im Jahr 2021 eine wichtige Massnahme ergriffen: Ab jetzt wird auf das äusserst klimaschädliche Anästhesiegas Desfluran verzichtet. Prof. Luzius Steiner, Chefarzt der Anästhesie, erklärt im Interview, wie es dazu kam und warum dieser Schritt zur Nachahmung empfohlen ist.

Neben den Treibhausgasemissionen, die dem Universitätsspital Basel direkt zugerechnet werden können, gibt es einen weitaus grösseren Anteil an Emissionen, die zwar ausserhalb des USB entstehen, aber dennoch mit hauseigenen Aktivitäten verbunden sind. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Scope-3-Emissionen, die im Jahr 2022 erstmalig erhoben werden sollen. Auf dieser Basis kann dann eine Strategie in Richtung Klimaneutralität entwickelt werden. Bis dahin zeigen wir exemplarisch auf, wie durch verschiedene Massnahmen indirekte Treibhaus gasemissionen verringert werden. Zum einen wird in der Pneumologischen Klinik die Verwendung von klimaschädlichen Sprays bei Asthma- und COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease)-Therapien auf ein Minimum reduziert. Zum anderen werden stetig Verbesserungen an der Gebäudeinfrastruktur vorgenommen. So werden durch elektrochrome Fenster, neue Kältemaschinen, Abwärmenutzung und Grundwasserkühlung nicht nur der Energieverbrauch verringert und damit die generelle Abhängigkeit von fossilen Energiequellen reduziert, sondern auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandels verbessert. In Zukunft wird eine noch bessere strategische Koordination und Verknüpfung solcher einzelner Massnahmen angestrebt, um die vielfältigen Ansatzpunkte für den Klimaschutz möglichst effektiv zu nutzen.

Interview mit Prof. Luzius Steiner

«Klimaschutz in der Anästhesie»

  1. Herr Prof. Luzius Steiner, immer häufiger wird gesagt, die Klimakrise sei eine Gesundheitskrise. Das renommierte New England Journal of Medicine hat gemeinsam mit vielen anderen medizinischen Fachzeitschriften dazu sogar einen Emergency call, also einen Notruf, publiziert. Sehen Sie als Chefarzt Anästhesie auch Zusammenhänge?

LS: Ich bin Anästhesist und Intensivmediziner in einem der wohlhabendsten Länder dieser Welt. Daher könnte ich nicht behaupten, dass ich bei den Patientinnen und Patienten, die wir behandeln, Klimaprobleme sehe. Wir sehen eher Folgeprobleme von falscher Ernährung, von falschem Lebenswandel, von Überkonsum – und diese Dinge tragen in Teilen ja wiederum zur Klimakrise bei.

  1. Die Anästhesie des Universitätsspitals Basel hat im vergangenen Jahr entschieden, zukünftig komplett auf das Anästhesiegas Desfluran zu verzichten. Warum das?

LS: Grundsätzlich ist es so, dass wir im Wesentlichen drei Anästhetika haben, die wir für fast alles verwenden: Propofol, das intravenös gegeben wird, Sevofluran, ein Anästhesiegas, und Desfluran, auch ein Anästhesiegas. Die beiden Gase werden inhaliert. Bei sehr vielen Operationen kann man die Anästhesie ausschliesslich mit dem Propofol machen, das man in die Vene spritzt. Aber auch in der modernen Anästhesie gibt es Patientinnen und Patienten sowie Eingriffe, für die ich zwingend ein Gas benötige: bei Patient*innen an der Herz-Lungen-Maschine, bei kleinen Kindern oder gelegentlich für die Narkoseeinleitung von behinderten Erwachsenen, die sich nicht stechen lassen wollen. Auch bei schweren Asthmaanfällen kann ein Anästhesiegas hilfreich sein. Wir haben die Wahl zwischen zwei Gasen: Desfluran ist umwelttechnisch viel schlechter, 2’500 mal klimaschädlicher als CO2 und es hat ausserdem noch ein paar andere Nachteile und für uns nicht relevante Vorteile. Da ist es für uns eigentlich logisch, so ein Gas aus dem Sortiment herauszunehmen.

  1. Kann man Desfluran also ersatzlos streichen?

LS: Aus medizinisch-anästhesiologischer Sicht: Ja. Bei sehr übergewichtigen Patientinnen und Patienten, die am längsten zum Aufwachen brauchen, hätte Desfluran gegenüber Sevofluran zwar den Vorteil, dass die Aufwachzeit etwas kürzer ist. Bei diesen Personen aber nutzen wir in Basel immer schon das rein intravenöse Propofol und hatten nie Desfluran im breiten Einsatz.

  1. Nun sind die Anästhesiegase Sevofluran und Lachgas zwar nicht ganz so enorm klimaschädlich wie Desfluran, weisen aber nichtsdestotrotz ein viel stärkeres Treibhauspotenzial auf als CO2. Wie geht das Universitätsspital Basel mit diesen um? Könnte auch auf diese verzichtet beziehungsweise deren Einsatz reduziert werden?

LS: Lachgas hat mein Vorgänger in der Anästhesie in Basel bereits vor mehr als zehn Jahren eliminiert. Es wird aber zum Teil noch in der Geburtshilfe im Rahmen der hebammengeleiteten Geburt eingesetzt. Die Hebammen benutzen das Lachgas, weil es etwas den Wehenschmerz dämpft und auch ohne ärztliche Supervision angewendet werden darf. Die Schmerzdämpfung ist allerdings limitiert. Wenn eine Gebärende stärkere Schmerzen hat, dann ist die peridurale Analgesie (PDA) die unbestritten wirksamste Massnahme.

  1. Das heisst, die verbleibenden klimaschädlichen Gase, Sevofluran und Lachgas, bleiben jetzt erst einmal in Verwendung?

LS: Ja. Sevofluran ist wie eingangs festgestellt für bestimmte Operationen und einige Patient*innengruppen unverzichtbar. Beim Lachgas handelt es sich um eine überschaubare Menge: Wir haben rund 2’800 Geburten pro Jahr, nur die Minderheit von diesen ist rein hebammengeleitet und auch diese benötigen nicht alle Lachgas. Wenn jetzt die ganze Anästhesieabteilung wieder anfangen würde, Lachgas zu verwenden, wäre das unvergleichlich mehr. Und das machen wir sicher nicht, das ist vorbei.

  1. Und wie sehen Sie das, dass bei der IV-Anästhesie mit Propofol angeblich deutlich mehr Einweg-Abfall anfällt?

LS: Also der Unterschied im Abfall zwischen einer IV-Anästhesie und einer Gas-Anästhesie ist eine Spritze und ein zuleitender Schlauch, mehr nicht. Beim Verpackungsmaterial für Pflaster, Kanülen, Nadeln sind die beiden identisch. Bedeutend für das Abfallvolumen im OP sind solche Dinge wie Einweg-OP-Kleidung und -Abdeckungen und auch Einweginstrumente, aber das ist ein anderes Problem. Hier ist die Industrie gefordert, Lösungen zu entwickeln, die umweltfreundlicher sind als die heutigen.

  1. Was tun Sie privat für Klima- und Umweltschutz?

LS: Ich bin privilegiert, ich konnte selbst ein Haus bauen. Dann können Sie natürlich eine Wärmepumpe einbauen und entsprechend Solarpaneele aufs Dach setzen, da haben Sie einen gewissen Spielraum. Das ist auch etwas, das mir durchaus Spass macht. COVID hin oder her, ich gehe weniger und weniger an Kongresse, das hat nicht nur mit dem Reisen zu tun, ist aber wahrscheinlich nicht irrelevant. Und last but not least, ich bin nicht Vegetarier, aber im Spital esse ich häufiger und häufiger – also vielleicht unterdessen 50 Prozent – vegetarisch. Aber das hat vor allem damit zu tun, dass das Angebot gut ist und es häufig ansprechender aussieht. Ich glaube, das machen sie gut in der Küche.