Kennzahlen zur Behandlungsqualität

Kennzahlen sind die Grundlage für eine kontinuierliche Überwachung und Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität. Am USB werden jedes Jahr verschiedene Qualitätsmessungen durchgeführt. Gleichzeitig werden neue Kennzahlen eingeführt, um die geleistete Qualität in den Kliniken und Abteilungen transparenter zu machen. Eine 2021 neu eingeführte Kennzahl ist die Dekubitusprävalenz* welche unter anderem dabei hilft, Massnahmen zur Optimierung der Dekubitusprävention zu planen. So wird die Kennzahl vor allem im Rahmen des Dekubituspräventionsprogrammes systemisch genutzt. Mehr dazu im Interview mit Dr. Eva-Maria Panfil am Schluss dieses Artikels.

Dekubitusprävalenz

Anzahl Fälle mit Dekubitus pro 100 Fälle 2021 2020 2019
Fälle in Prozent 2.4% 2.9% 2.7 %
Fälle absolut (856 von 35'085) (955 von 32'428) (434 von 16’324)

Quelle: USB interne Auswertungen, ohne Intensivstation, IMC, Tagesklinik Chirurgie, Notfallzentrum

 

*Ein Dekubitus ist «eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes infolge von Druck oder von Druck in Kombination mit Scherkräften. Ein Dekubitus tritt in der Regel über knöchernen Vorsprünge auf, kann aber auch mit medizinischen Hilfsmitteln oder anderen Objekten verbunden sein» (Vgl. EPUAP et al., 2019). Die Dekubitusprävalenz misst dabei die Häufigkeit der im Spital erworbenen Dekubitus und stellt so eine Grundlage für Qualitätsverbesserungen innerhalb der Prävention dar.

Sturzprävalenz

Anzahl Fälle mit Sturz pro 100 Fälle 2021 2020 2019
Fälle in Prozent 2.0% 2.7% 2.7%
Fälle absolut (716 von 35'085) (740 von 27’021) (434 von 16‘324)

Quelle: USB-interne Auswertungen der Sturzprotokolle aller Bettenstationen, ohne Intensivstation, Notfallbettenstation, Schwangerenabteilung, Mutter-Kind Abteilung

Zahlen 2019: seit Juni 2019

Per Definition ist ein Sturz «ein Ereignis, in dessen Folge eine Person unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer tieferen Ebene zu liegen kommt». Die Sturzprävalenz wird am USB seit Mitte 2019 fortlaufend automatisch ermittelt. Jedes Sturzereignis wird durch das Behandlungsteam in einem Sturzprotokoll dokumentiert, besprochen und hinsichtlich notwendiger Massnahmen evaluiert. Die Daten aus sämtlichen Sturzprotokollen werden anschliessend im «Clinical Datawarehouse» zusammengeführt. Dies ermöglicht eine automatische, tagesaktuelle Berechnung der Sturzrate für jede Abteilung.

Blasenkatheter Nutzungsrate

Anzahl Kathetertage pro 100 Pflegetage 2021 2020 2019
Kathetertage relativ 14.1% 13.4% 12.8%
Kathetertage absolut (25'925 von 184'166) (23’128 von 173'249) (23’977 von 187’763)

Quelle: USB interne Auswertung, ohne Intensivstation, IMC, Neurochirurgische Überwachungseinheit, Notfallzentrum

Verschiedene medizinische Gründe können den Einsatz eines Blasenkatheters erfordern. Um jedoch unerwünschte Nebenwirkungen (zum BeispielHarnwegsinfekte oder Verletzungen) möglichst zu vermeiden, ist es wichtig, Blasenkatheter nur so wenig und so kurz wie möglich einzusetzen. Eine Kennzahl, um den Einsatz von Blasenkathetern zu überwachen, ist die sogenannte Blasenkatheter-Nutzungsrate. Je tiefer diese Rate ist, desto geringer der Einsatz von Blasenkathetern (seltener und/oderkürzer). Am USB wird die Blasenkatheter-Nutzungsrate automatisiert aufgrund der Patientenkurve berechnet und abgebildet. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Blasenkathetern nicht immer zu verhindern ist und es Bereiche gibt, in denen die Blasenkatheter-Nutzungsraten aus medizinischen Gründen notwendigerweise hoch sind (zum Beispielauf der Intensivstation oder bei urologischen Erkrankungen). Der Vergleich von Blasenkatheter-Nutzungsraten zwischen Spitälern ist deshalb nur eingeschränkt möglich und stets für vergleichbare Fachgebiete gedacht.

Postoperative Wundinfektionen – Wundinfektionsrate

Prozentualer Anteil von Patientinnen und Patienten, bei denen eine Wundinfektion festgestellt wurde.

Quelle: Abteilung für Spitalhygiene, Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene, Universitätsspital Basel, Januar 2022

°Quelle: Swissnoso Jahresbericht des nationalen Programmes von Swissnoso zur Erfassung postoperativer Wundinfektionen, Universitätsspital Basel, Januar 2022.

*Die Messung zur Feststellung von Wundinfektionen wurde 2020 aufgrund der COVID-19 Pandemie in den Monaten März bis Mai und November bis Dezember ausgesetzt.

** Die Messung zur Feststellung von Wundinfektionen wurde 2021 aufgrund der COVID-19 Pandemie in den Monaten Januar bis März sowie ab Dezember ausgesetzt.

*** Herzchirurgische Eingriffe bis 2020 wurden ein Jahr nachverfolgt. Ab 2021 beziehen sich die Daten auf das 30 Tages Follow-Up.

Nach Operationen kann es zu unerwünschten Infektionen des Operationsgebietes oder der Wunden kommen, wenn Erreger ins Operationsgebiet oder im weiteren Verlauf über die Haut in den Wundbereich gelangen. Solche Wundinfektionen können verschieden schwer verlaufen, stellen aber immer eine unerwünschte Komplikation dar, die unter Umständen auch zu einem verlängerten Spitalaufenthalt führen kann. In der Schweiz werden Wundinfektionen nach Operationen im Rahmen eines nationalen Messprogramms (swissnoso) obligatorisch von allen Spitälern für ausgewählte Operationen erfasst.

Fallzahlen, Mortalitätsraten und Komplikationsraten

Das USB ist Gründungsmitglied der Initiative Qualitätsmedizin (IQM). Seit 2008 setzt sich diese Initiative, die mittlerweile von mehr als 500 Spitälern aus Deutschland und der Schweiz getragen wird, für eine bessere medizinische Qualität ein. Dabei ist das Ziel, die Behandlungsqualität zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu steigern. Um dies zu erreichen, haben die IQM-Mitglieder innovative und anwenderfreundliche Tools zur Qualitätsverbesserung auf der Basis kollegialer Unterstützung und Transparenz entwickelt. Grundsätze sind die Qualitätsmessung auf Basis von Routinedaten, Transparenz der Ergebnisse durch deren Veröffentlichung und Qualitätsverbesserungen durch Peer Reviews. IQM arbeitet unter anderem mit Routinedaten der Spitäler, den sogenannten Daten der Medizinischen Statistik, welche jährlich erstellt werden. Für eine Vielzahl von Diagnosen und Eingriffen werden pro Spital die Fallzahlen, Mortalitätsraten und Komplikationsraten ausgewiesen.

Report: IQM Ergebnisse Universitätsspital Basel

Interview zum Dekubituspräventionsprogramm mit Dr. Eva-Maria Panfil, Programmleitung Dekubitus/ Wunden

Was ist Ihr Hintergrund und welche Rolle nehmen Sie im Dekubituspräventionsprogramm ein?

Ich bin Pflegefachfrau und Pflegewissenschaftlerin mit dem klinischen Schwerpunkt «Pflege von Menschen mit chronischen Wunden». Im USB bin ich seit 2020 verantwortlich für die Qualität der Dekubitusprävention und der Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden seitens Pflege & Therapien. Dazu gehören u.a. die Aktualisierung und Implementierung von evidenzbasierten Leitlinien, Massnahmen der Qualitätssicherung incl. Schulungen, die Durchführung von Forschungsprojekten und natürlich auch Netzwerkarbeit.

Wo liegen die Schwerpunkte des Dekubituspräventionsprogrammes?

In den letzten beiden Jahren haben wir uns auf eine kennzahlenbasierte Steuerung der Pflegequalität, die Einführung eines Prozesses zum Controlling von im OP entstandener Dekubitalgeschwüre und die Förderung der Bewegung von Patienten mit Dekubitusgefährdung konzentriert. Zu letztem Thema forschen wir, wie wir interprofessionell durch die Zusammenarbeit von Pflege, Therapien und Ärzten die Bewegung von Patienten mit Dekubitusgefährdung fördern können.

Welche Massnahmen wurden bereits zur Prävention eingeführt?

Unsere Leitlinie ist evidenzbasiert und beinhaltet neben der Risikoerkennung vor allem Massnahmen der Druckentlastung durch Bewegungsförderung und Druckverteilung durch Wechseldruckmatratzen. Wir haben keine speziellen Massnahmen eingeführt, sondern schulen die adäquate Umsetzung der empfohlenen Massnahmen. Dabei hat uns geholfen, dass unsere Leitlinie im Rahmen der Zertifizierung des USB und des Felix Platter Spitals zum Alterstraumazentrum als «Medstandard» aufbereitet werden konnte. Damit müssen keine seitenweisen Dokumente mehr gelesen werden, sondern gewünschte Informationen sind mit «einem Klick» und für alle Berufsgruppen, d.h. interprofessionell, zugänglich.

Inwiefern hilft Ihnen die Dokumentation der Dekubitusrate bei der Arbeit?

Das Arbeiten mit den Dekubitusraten ist für uns in Kombination mit den Daten aus dem «Safety Cross» (Instrument zum Darstellen entstandener Druckgeschwüre) die wichtigste Stellschraube zur Qualitätsverbesserung. Da uns nun aktuelle Daten aus der elektronischen Wunddokumentation zum Auftreten des Dekubitus zur Verfügung stehen, ist auf den Pflegestationen ein grosses Problembewusstsein bezüglich einer korrekten Wunddokumentation entstanden. Wir schulen gezielt das korrekte Identifizieren von Druckgeschwüren, deren Schweregrad und das Angeben der genauen Lokalisation. Dazu ermöglichen uns die Daten, gezielt Massnahmen zur Optimierung der Dekubitusprävention zu planen.

Welche Massnahmen wurden aus der Dekubitusrate abgeleitet?

Eine grundlegende Massnahme ist nach wie vor die korrekte Diagnose eines Dekubitus, da falsche Diagnosen zu falschen Kennzahlen führen. Hier schulen wir die Pflegefachpersonen. Interessanterweise zeigen sich in der Analyse von schweren Dekubituskategorien oft Themen der interprofessionellen Zusammenarbeit oder Schnittstellenproblematiken. Wir haben über Fallbesprechungen das Entstehen von Dekubitalgeschwüren im OP bedingt durch medizinische Geräte oder auf der Intensivstation durch die Abwägung von Nutzen und Schaden der Bewegungsförderung in kritischen Lebenssituationen analysiert. Brüche zwischen Dokumentationssystemen können dazu führen, dass teilweise unklar ist, auf welcher Station der Dekubitus entstanden ist und deswegen falsche Dekubitusraten entstehen. Subanalysen der Daten zu Patientenuntergruppen oder der Lokalisation der Wunden führen zu weiteren Massnahmen. Wir wissen aus Studien, dass sich bei bewegungseingeschränkten Patienten nach Unfallereignis, wenn sie nach Eintritt nicht zeitnah operiert werden (Verzögerung > 12 Std), das Dekubitusrisiko um das 1.6 - 1.7fache erhöht. Zur Verhinderung von Dekubitalgeschwüren an den Fersen können wir gezielt spezielle mehrschichtige Schaumverbände anbringen.

Warum ist die Dekubitusrate aus Ihrer Sicht ein Qualitätsindikator?

Die Dekubitusinzidenz wird international einheitlich als Indikator für Pflegequalität eingeschätzt. Hätten wir diese Daten nicht, würden wir «im Dunkeln» tappen und wüssten nicht, ob eine Problematik besteht, wie gross diese ist, welche Patienten und Stationen betroffen sind, welche Gründe dafür verantwortlich sind, was wir tun müssen und ob unsere Massnahmen erfolgreich sind. Einmal jährliche Daten aus den nationalen ANQ-Erhebungen auf Basis eine Punktprävalenz an einem Stichtag, die zudem in den letzten beiden Jahren pandemiebedingt ausgefallen sind, helfen uns hier gar nicht weiter.