Welche Massnahmen wurden bereits zur Prävention eingeführt?
Unsere Leitlinie ist evidenzbasiert und beinhaltet neben der Risikoerkennung vor allem Massnahmen der Druckentlastung durch Bewegungsförderung und Druckverteilung durch Wechseldruckmatratzen. Wir haben keine speziellen Massnahmen eingeführt, sondern schulen die adäquate Umsetzung der empfohlenen Massnahmen. Dabei hat uns geholfen, dass unsere Leitlinie im Rahmen der Zertifizierung des USB und des Felix Platter Spitals zum Alterstraumazentrum als «Medstandard» aufbereitet werden konnte. Damit müssen keine seitenweisen Dokumente mehr gelesen werden, sondern gewünschte Informationen sind mit «einem Klick» und für alle Berufsgruppen, d.h. interprofessionell, zugänglich.
Inwiefern hilft Ihnen die Dokumentation der Dekubitusrate bei der Arbeit?
Das Arbeiten mit den Dekubitusraten ist für uns in Kombination mit den Daten aus dem «Safety Cross» (Instrument zum Darstellen entstandener Druckgeschwüre) die wichtigste Stellschraube zur Qualitätsverbesserung. Da uns nun aktuelle Daten aus der elektronischen Wunddokumentation zum Auftreten des Dekubitus zur Verfügung stehen, ist auf den Pflegestationen ein grosses Problembewusstsein bezüglich einer korrekten Wunddokumentation entstanden. Wir schulen gezielt das korrekte Identifizieren von Druckgeschwüren, deren Schweregrad und das Angeben der genauen Lokalisation. Dazu ermöglichen uns die Daten, gezielt Massnahmen zur Optimierung der Dekubitusprävention zu planen.
Welche Massnahmen wurden aus der Dekubitusrate abgeleitet?
Eine grundlegende Massnahme ist nach wie vor die korrekte Diagnose eines Dekubitus, da falsche Diagnosen zu falschen Kennzahlen führen. Hier schulen wir die Pflegefachpersonen. Interessanterweise zeigen sich in der Analyse von schweren Dekubituskategorien oft Themen der interprofessionellen Zusammenarbeit oder Schnittstellenproblematiken. Wir haben über Fallbesprechungen das Entstehen von Dekubitalgeschwüren im OP bedingt durch medizinische Geräte oder auf der Intensivstation durch die Abwägung von Nutzen und Schaden der Bewegungsförderung in kritischen Lebenssituationen analysiert. Brüche zwischen Dokumentationssystemen können dazu führen, dass teilweise unklar ist, auf welcher Station der Dekubitus entstanden ist und deswegen falsche Dekubitusraten entstehen. Subanalysen der Daten zu Patientenuntergruppen oder der Lokalisation der Wunden führen zu weiteren Massnahmen. Wir wissen aus Studien, dass sich bei bewegungseingeschränkten Patienten nach Unfallereignis, wenn sie nach Eintritt nicht zeitnah operiert werden (Verzögerung > 12 Std), das Dekubitusrisiko um das 1.6 - 1.7fache erhöht. Zur Verhinderung von Dekubitalgeschwüren an den Fersen können wir gezielt spezielle mehrschichtige Schaumverbände anbringen.
Warum ist die Dekubitusrate aus Ihrer Sicht ein Qualitätsindikator?
Die Dekubitusinzidenz wird international einheitlich als Indikator für Pflegequalität eingeschätzt. Hätten wir diese Daten nicht, würden wir «im Dunkeln» tappen und wüssten nicht, ob eine Problematik besteht, wie gross diese ist, welche Patienten und Stationen betroffen sind, welche Gründe dafür verantwortlich sind, was wir tun müssen und ob unsere Massnahmen erfolgreich sind. Einmal jährliche Daten aus den nationalen ANQ-Erhebungen auf Basis eine Punktprävalenz an einem Stichtag, die zudem in den letzten beiden Jahren pandemiebedingt ausgefallen sind, helfen uns hier gar nicht weiter.